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„Bespannte Innenraumkomponente für Fahrzeuge“
BPatG 9. Senat (Techn.Beschw.)
Entscheidungsdatum: 15. November 2023
Aktenzeichen: 9 W (pat) 14/22
Gehört eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach, zum allgemeinen Fachwissen, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen.
Die Anmeldung 10 2004 003 516.4 „Bespannte Innenraumkomponente für Fahrzeuge“ ist am 20. Dezember 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen und wurde von der Prüfungsstelle für Klasse B60R durch Beschluss vom 7. April 2022 zurückgewiesen.
Gegen diesen ihr am 28. April 2022 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentanmelderin, die am 5. Mai 2022 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 24. August 2020 widerspricht die Beschwerdeführerin den Ausführungen der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss.
Die Anmelderin sieht die Gegenstände der Patentansprüche in der geltenden Fassung als neu sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend an. Die Anmelderin führt aus, dass die Argumentation der Prüfungsstelle, wonach der Fachmann ein Vernähen oder Verkleben aufgrund seines Fachwissens naheliegend in Betracht ziehe, für nicht nachvollziehbar.
Der Patentanspruch 1 ist auf eine Innenraumkomponente gerichtet, die für den Einsatz in einem Fahrzeug geeignet ist. Eine solche Innenraumkomponente kann dabei etwa Teil einer Instrumententafel oder einer Türverkleidung des Fahrzeugs sein. Die Innenraumkomponente umfasst ein Trägerelement, das mit einer Dekorschicht bespannt ist, wobei zwischen die Dekorschicht und dem Trägerelement eine elastische Zwischenschicht eingebracht ist. Die Zwischenschicht ist dabei entweder mit der Dekorschicht vernäht oder alternativ mit der Dekorschicht verklebt, wodurch sie an der Dekorschicht fixiert ist, mithin eine Festlegung der Position der Zwischenschicht gegenüber der Dekorschicht erfolgt.
Die Bespannung der Trägerschicht mit der Dekorschicht inklusive der an dieser fixierten Zwischenschicht vollzieht sich über die Dekorschicht. Hierzu wird die Dekorschicht entweder formschlüssig durch eine Rasteinrichtung oder alternativ kraftschlüssig durch eine Klemmeinrichtung an dem Trägerelement befestigt, wobei dazu die Dekorschicht nur an einzelnen Befestigungsstellen am Trägerelement fixiert ist. Aus diesen Festlegungen ergibt sich auch, dass die Bespannung über die Dekorschicht und nicht über die Zwischenschicht verwirklicht ist. Als eine entsprechende Rasteinrichtung benennt die Anmeldung etwa ein Clipelement oder eine Clipleiste.
Ferner ist durch die Bespannung des Trägerelements mit der Dekorschicht und deren oben dargelegte Fixierung der in Anspruch 1 beschriebene Erfolg realisiert, wonach sich dadurch eine schubweiche Haptik der Dekorschicht ergibt. Besondere über die in dem Patentanspruch 1 bereits benannten Merkmale hinausgehenden Maßnahmen, die hierfür notwendig sind, sind der Offenbarung der Anmeldung aber nicht zu entnehmen, so dass alleinig das Vorsehen der im Anspruch benannten Merkmale, wonach die Dekorschicht an einzelnen Befestigungsstellen am Trägerelement fixiert ist, bereits zu diesem Erfolg führt. Die beanspruchte Zwischenschicht und deren Fixierung an der Dekorschicht ist für die Realisierung dieses Erfolges nicht zwingend notwendig, denn nach der Offenlegungsschrift bewirkt die Zwischenschicht eine darüberhinausgehende „besonders schubweiche“ Oberflächenhaptik.
Damit unterscheidet sich die vorliegend beanspruchte Innenraumkomponente von derjenigen, welche als Erfindung der Druckschrift E1 zu entnehmen ist, denn diese offenbarte Erfindung erfordert gerade kein Verkleben der Zwischenschicht an der Dekorschicht und benennt auch kein alternatives Vernähen derselben.
In der Druckschrift E1 ist noch ergänzend ausgeführt, dass das Trägerelement solcher Innenraumkomponenten häufig eine geschwungene oder gebogene Form aufweist. Da die Befestigung der Zwischenschicht an der Dekorschicht bei der offenbarten Erfindung allerdings erst durch die Montage der Dekorschicht an dem Trägerelement im Moment der Verrastung oder Verklemmung der entsprechenden Befestigungselemente erfolgt, erkennt der Fachmann beim Studium der Druckschrift E1 unmittelbar, dass es bei der Montage der Zwischenschicht an solchen gebogenen Formen schwierig ist, zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu gelangen. Denn da die Zwischenschicht vor der Montage weder am Trägerelement noch an der Dekorschicht gesondert befestigt oder zumindest vorfixiert ist, liegt diese quasi lose vor, so dass vor der Bespannung der Dekorschicht an dem gebogenen Trägerelement eine zielgerichtete Vorpositionierung der Zwischenschicht auf der gebogenen oder gekrümmten Oberfläche des Trägerelements nicht möglich ist und die Gefahr des Verrutschens der Zwischenschicht besteht.
Es besteht daher ausgehend von der Offenbarung der Druckschrift E1 für den Fachmann unmittelbar der Anlass, zumindest im Falle gebogener oder gekrümmter Innenraumkomponenten eine Verbesserung in Form zumindest einer Vorfixierung der Zwischenschicht anzustreben. Dabei erkennt er es als vorteilhaft, diese Vorfixierung der Zwischenschicht an der Dekorschicht, die vor der Bespannung flach auslegbar ist, anstatt an der gebogenen und geschwungenen Form des Trägerelements vorzunehmen.
Gehört in diesem Zusammenhang - hier der Vorfixierung von Materiallagen – eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (vgl. BGH GRUR 2014, 646 – Farbversorgungssystem).
Das gegenseitige Verkleben oder Vernähen zumindest zur Vorfixierung verschiedener Schichten einer Innenraumkomponente stellen nach Überzeugung des Senats dabei solche maschinenbautechnischen Lösungen dar, die ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs auch für eine alternative, d.h. substituierende Anwendung zählen, wie dies die Druckschrift E1 selbst bereits belegt.
Eine zusätzliche Vorfixierung der Zwischenschicht an der Dekorschicht mittels Vernähens oder Verkleben kann daher ausgehend von der Lehre der Druckschrift E1 das Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes nach dem Patentanspruch 1 des Hauptantrages nicht begründen.
Daher wurde die Beschwerde zurückgewiesen.