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„Disclaimer“ Rechtsprechung der technischen Beschwerdekammern am EPA nach G2/10
Bei einem Disclaimer handelt es sich um ein oder mehrere negative Merkmale in einem Anspruch, womit typischerweise bestimmte Ausführungsformen oder Bereiche eines allgemeinen Merkmals ausgeschlossen werden. Ein derartiger Disclaimer kann dabei auch nachträglich, insbesondere im Prüfungs- und/oder Einspruchsverfahren, in einen Anspruch aufgenommen werden. Dabei ist zu beachten, dass durch die Aufnahme des Disclaimers der entsprechende Anspruch nicht gemäß Art. 123 EPÜ unzulässig geändert wird.
Gemäß der Entscheidung G 1/03 kann ein Disclaimer jedoch auch dann zulässig sein und verstößt nicht gegen Art. 123(2) EPÜ, wenn er oder der von ihm ausgeschlossene Bereich aus der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung nicht herleitbar ist (1. Leitsatz G 1/03). Um zulässig zu sein muss er jedoch die im 2. Leitsatz von G 1/03 angeführten Kriterien erfüllen.
Die Entscheidung G 2/10 befasst sich ebenfalls mit einem Disclaimer, der jedoch zum einen nicht den Kriterien aus G 1/03 entspricht und zum anderen ein in der Anmeldung offenbartes Ausführungsbeispiel ausklammern sollte. In Bezug auf G 1/03 stellt die Entscheidung G 2/10 jedoch klar, dass die Kriterien, die im 2. Leitsatz von G 1/03 aufgestellt wurden, nicht abschließend sind. Insbesondere muss jeder eingeführte Disclaimer den Erfordernissen von Art. 123(2) EPÜ entsprechen, nach denen der im Patentanspruch verbleibende Gegenstand in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbart sein muss (siehe 1. Leitsatz G 2/10).
Eine konsequente Berücksichtigung folgend auf die Entscheidung G 02/10 durch die technischen Beschwerdekammern erfolgte jedoch nicht. So wurden beispielsweise nicht in allen Entscheidungen, in denen ein Disclaimer gemäß der Entscheidung G 1/03 vorlag, auch die Kriterien der Entscheidung G 2/10 angewandt oder zumindest geprüft.
Bei der Verwendung von Disclaimern im Prüfungs- und/oder Einspruchsverfahren ist somit folgendes zu berücksichtigen:
- Bei offenbarten Disclaimern sind die Kriterien aus G 2/10 zu beachten
- Bei nicht-offenbarten Disclaimern sind die Kriterien aus G 1/03 und zusätzlich auch die Kriterien aus G 2/10 zu beachten
- Auch bei Erfüllung der Kriterien aus G 1/03 kann ein nicht-offenbarter Disclaimer unzulässig sein (z.B. bei Vorliegen einer Zwischenverallgemeinerung oder einer indirekten Auswahlerfindung)