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Ist das Einlegen einer Nichtigkeitsklage parallel zu einem laufenden Einspruchsverfahren zulässig?
Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in der Entscheidung X ZR 47/22 - „Aminopyridin“ befasst.
Anlass war eine Nichtigkeitsklage, die noch während eines laufenden Einspruchsbeschwerdeverfahrens vor dem Europäischen Patentamt (EPA) erhoben wurde.
Nach § 81(2) PatG kann die Klage auf Erklärung der Nichtigkeit des Patents nicht erhoben werden, solange ein Einspruch noch erhoben werden kann oder ein Einspruchsverfahren anhängig ist.
Die erhobene Nichtigkeitsklage wäre daher wegen des noch anhängigen europäischen Einspruchsbeschwerdeverfahrens unzulässig.
Allerdings entschied der BGH nun, dass für die Beurteilung, ob das Klagehindernis nach § 81 (2) PatG vorliegt, nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen [ist], sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage (Verweis auf X ZR 124/ 10 „Mautberechnung“).
Darüber hinaus hat der BGH festgestellt, dass der Begriff „anhängig“ nicht bedeutet, dass ein Einspruchsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Vielmehr ist die Anhängigkeit bereits dann nicht mehr gegeben, „wenn das Europäische Patentamt entschieden hat, dass das Patent mit einer geänderten Fassung seiner Ansprüche aufrechterhalten wird, und diese Entscheidung nicht mehr angefochten werden kann.“
Für die Praxis ist dies vor allem im Hinblick auf die zeitliche Abfolge von großer Bedeutung. Wird ein Patent in der mündlichen Verhandlung eines Beschwerdeverfahrens vor dem EPA in geändertem Umfang aufrechterhalten, so sind die Schritte grundsätzlich die folgenden:
- Erlass der Beschwerdeentscheidung
- Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
- Übersetzung der Patentansprüche in die anderen Amtssprachen
- Zahlung der Druckkostengebühr für die B2-Schrift
Von der mündlichen Verhandlung, in der die endgültige Fassung der Ansprüche festgelegt wird, bis zum formellen Abschluss des Einspruchsverfahrens kann mehr als ein Jahr vergehen.
Dies bedeutet, dass nach alter Rechtsprechung im Zweifelsfall ebenfalls mehr als ein Jahr vergeht, bis eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann, obwohl die Ansprüche, die für nichtig erklärt werden sollen, bereits bekannt sind.
Gemäß der „Aminopyridin“-Entscheidung muss dieser Zeitraum nun nicht mehr abgewartet werden. Vielmehr fällt die Unzulässigkeit gemäß § 81 (2) PatG de facto mit Schluss der mündlichen Verhandlung weg. Dies führt zu einer erheblichen Verkürzung der Zeitspanne in der eine deutsche Nichtigkeitsklage unzulässig wird.
Theoretisch ist es nun also möglich, eine Nichtigkeitsklage einzureichen, sobald der Termin der mündlichen Verhandlung bekannt bzw. veröffentlicht ist. Die Nichtigkeitsklage ist dabei vom Ausgang der mündlichen Verhandlung abhängig; wird das Streitpatent von der Beschwerdekammer für nichtig erklärt, so ist die erhobene Nichtigkeitsklage unzulässig. Es ist daher fraglich, ob dies für den Nichtigkeitskläger monetär sinnvoll ist.
Nach der neuen Rechtsprechung ist es nunmehr zulässig, parallel zu einem anhängigen Einspruchsverfahren eine Nichtigkeitsklage zu erheben, theoretisch, wenn der Termin der mündlichen Verhandlung veröffentlicht ist, jedenfalls aber, wenn das Europäische Patentamt entschieden hat, in welcher Fassung das Patent aufrechterhalten wird.
Quelle:
BGH X ZR 47/22 – „Aminopyridin“
BGH zu Parallelität von Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren – Aminopyridin-Entscheidung (wolterskluwer)