EPA. Mit der Entscheidung G1/21 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes wurde über die Frage entschieden, inwieweit mündliche Verhandlungen in Form von Videokonferenzen vor den Beschwerdekammern zulässig sind ohne das rechtliche Gehör der beteiligten Parteien zu verletzen.

Dabei legte sich die Große Beschwerdekammer wie folgt fest:

„Während eines allgemeinen Notstands, der die Möglichkeiten der Beteiligten beeinträchtigt, an einer mündlichen Verhandlung in Person in den Räumlichkeiten des EPAs teilzunehmen, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor den Beschwerdekammern in Form einer Videokonferenz mit dem EPÜ vereinbar, auch wenn nicht alle Verfahrensbeteiligten der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Form einer Videokonferenz zugestimmt haben.“

In der nunmehr veröffentlichen Begründung der Entscheidung führt die Große Beschwerdekammer aus, dass eine Nichtzulassung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz während des besagten Notstands, faktisch das Zustandekommen einer mündlichen Verhandlung per se verhindere. Dies stehe jedoch im Gegensatz zu den Zielen des EPÜ, nach welcher Innovation und Fortschritt durch das System zur Erteilung Europäischer Patente, d. h. im Wesentlichen das EPA, gefördert werden sollten. Demgegenüber stünden die zu befürchtenden Nachteile der Videokonferenz während des Notstands im Hintergrund und wögen entsprechend nicht so schwer, dass das Recht auf Anhörung oder ein faires Verfahren ernsthaft beeinträchtigt würde.

Gleichzeitig stellt die Große Beschwerdekammer jedoch klar, dass diese Rechtsprechung unter den speziellen Umständen des Notfalls zu sehen sei. Da nicht explizit über einen Fall nach Wegfall der pandemischen Umstände und der damit verbundenen Beschränkungen entschieden wurde, bleibt zu erwarten, dass die Videokonferenzen vor den Beschwerdekammern nur als Übergangslösung angesehen werden und im Anschluss an die Pandemiesituation wieder mündliche Verhandlungen beim EPA vor Ort stattfinden werden.