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Rückschluss Editionsvermerk eines Prospekts auf öffentliche Zugänglichkeitsmachung

In der der Patentnichtigkeitssache mit dem Aktenzeichen 4 Ni 71/17 (EP) hat sich der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auch mit der Frage beschäftigt, inwiefern ein auf einem Firmenprospekt offenbarter Editionsvermerk Rückschluss auf die öffentliche Zugänglichkeitsmachung gibt. Aufgrunddessen hat der 4. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2019 für Recht erkannt, dass das europäische Patent 2 116 280 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 nichtig ist. Der 4. Senat hat in der Patentnichtigkeitssache einen Leitsatz abgefasst, welcher sagt: „[dass] der zeitlich bestimmte Editionsvermerk auf einem Firmenprospekt den Erfahrungssatz und Anscheinsbeweis rechtfertigt, dass typischerweise bereits eine Fertigstellung des Prospekts erfolgt ist oder zumindest alsbald erfolgt und dass sich hieran zugleich typischerweise eine jedenfalls alsbaldige Drucklegung und Verteilung bzw. Verbreitung des Prospekts in der Öffentlichkeit anschließt, jedenfalls innerhalb eines Zeitraums von mehr als sechs Monaten ab Editionsdatum“.

Die Klägerin macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents mit dem Prioritätstag 7. August 2001 gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a) EPÜ nicht patentfähig ist. Die Klägerin legt zur Begründung hierfür unter anderen eine von der Beklagten veröffentlichte Produktbroschüre mit einem Editionsvermerk „Edition January 2001“ vor, wobei die Klägerin durch den Editionsvermerk eine Veröffentlichung der Produktbroschüre im Januar 2001, also vor dem Prioritätstag des Streitpatents, sieht. Entgegen der Meinung der Klägerin kennzeichnet in den Augen der Beklagten der Editionsvermerk „Edition January 2001“ jedoch nicht das Veröffentlichungsdatum der Produktbroschüre.

In der Patentnichtigkeitssache knüpft der Senat an seiner Auffassung an, dass bei Firmenprospekten der typische Geschehensablauf die alsbaldige Verteilung an interessierte Kunden ist (vgl BPatGE 32, 109 = BIPMZ 1991, 349) und aufgrund dieses Erfahrungssatzes einen entsprechenden Anscheinsbeweis auslöst. Danach kann ein Druckdatum, das längere Zeit vor dem Anmeldetag der Streitpatentschrift liegt, den Anscheinsbeweis dahingehend begründen, dass die Schrift vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Hierbei verweist der Senat weiter auf das BGH Urteil v. 07. 11 .2017, X ZR 113/15 Rn. 22 = MMR 2018, 228, in welchem der Bundesgerichtshof entsprechendes für den auf einem Copyright-Vermerk gegründeten Erfahrungssatz angenommen hat.

Der 4. Senat stimmt zwar der Beklagten zu, dass das Editionsdatum eines Druckerzeugnisses nicht dem Druckdatum gleichgesetzt werden kann, jedoch ist in den Augen des Senats im Januar 2001 zumindest eine im Wesentlichen vollständige Ausgabe der Broschüre vorgelegen, welche alsbald, jedenfalls innerhalb eines Zeitraums von mehr als sechs Monaten ab Editionsdatum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Auch hat die Beklagte Umstände eines ernsthaft in Betracht zu ziehenden atypischen Geschehensablaufs zur Entkräftigung des Anscheins nicht dargetan. Vor diesem Hintergrund ist im Erachten des Senats das europäische Patent 2 116 280 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 nichtig.

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